450 GB Daten in 60 Sekunden!


Wenn ein Schlüs­sel­merk­mal für den Erfolg auf Kapi­tal­märk­ten „Infor­ma­ti­on“ dar­stellt, bie­ten die neu­en Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nä­le im Inter­net mög­li­cher­wei­se eine zusätz­li­che Infor­ma­ti­ons­quel­le, um schnell zusätz­li­che und dem Markt bis­her womög­lich ver­bor­gen geblie­be­ne Infor­ma­tio­nen zu erlan­gen und somit die Infor­ma­ti­ons­asym­me­trie zu sei­nen Guns­ten zu ver­än­dern. Gelän­ge dies,würde man von der Sei­te der unin­for­mier­ten Zah­ler auf die Sei­te der infor­mier­ten Akteu­re wech­seln und ggf. einen posi­ti­ven Tra­de-off erzie­len. Doch so ein­fach es klingt, ein Kapi­tal­markt­ak­teur als Nut­zer von Soci­al-Media-Infor­ma­tio­nen schafft sich durch den ver­meint­li­chen Vor­teil Soci­al-Media-Infor­ma­ti­on par­al­lel ein neu­es Pro­blem. Denn die Viel­falt an Infor­ma­ti­ons­an­ge­bo­ten in der digi­ta­len Welt ist mitt­ler­wei­le so groß gewor­den, dass erneut eine auf­wän­di­ge Selek­ti­on von Infor­ma­tio­nen erfol­gen muss – von einer qua­li­ta­ti­ven Aus­wer­tung der erhal­te­nen Infor­ma­tio­nen ganz zu schwei­gen. Man kann sich in Anbe­tracht des­sen berech­tigt fra­gen, ob auf den Kapi­tal­märk­ten Soci­al-Media-Kom­mu­ni­ka­ti­on tat­säch­lich zum Abbau von Infor­ma­ti­ons­asym­me­trie bei­tra­gen kann? Oder ob Soci­al-Media die Infor­ma­ti­ons­asym­me­trie auf­grund sei­ner Kom­ple­xi­tät nicht im Gegen­teil sogar wei­ter ver­stärkt?

 

Asymmetrische Information durch Data-Overload?

(Markt-)Informationen ver­brei­ten sich in Mil­li­se­kun­den rund um den Glo­bus – auch über Soci­al-Media-Kanä­le. Dies kön­nen unbe­deu­ten­de Tweets sein, es kön­nen aber auch (ver­meint­lich) han­dels­re­le­van­te Infor­ma­tio­nen wie z.B. Arbeits­markt­da­ten oder poli­ti­sche Ereig­nis­se kom­mu­ni­ziert wer­den. Als welt­weit han­dels­re­le­van­te Infor­ma­ti­on sei an die­ser Stel­le auf den Hack-Tweet „Two Explo­si­ons in the White Hou­se and Barack Oba­ma is inju­red @ap“ (5,36 Mio. Fol­lo­wer, Stand: 09.07.2015) vom 23. April 2013 ver­wie­sen, infol­ge des­sen der Dow Jones inner­halb von weni­gen Sekun­den um 143 Punk­te ein­brach und sein größ­tes Minus inner­halb einer so kur­zen Zeit in sei­ner His­to­rie ver­zeich­ne­te. Das Bei­spiel zeigt auf, wie digi­ta­le Kom­mu­ni­ka­ti­on über Soci­al-Media, hier der Kurz­nach­rich­ten­dienst Twit­ter, Ein­fluss auf die Infor­ma­ti­ons­tie­fe der Kapi­tal­märk­te genom­men, han­dels­re­le­van­te Infor­ma­tio­nen erzeugt und Infor­ma­ti­ons­asym­me­tri­en beför­dert hat. Es stellt sich also die Fra­ge, ob Soci­al-Media-Anwen­dun­gen zum Abbau einer Infor­ma­ti­ons­asym­me­trie geeig­net sind – oder ob die Asym­me­trie durch die schie­re Daten­men­ge im Gegen­teil nicht sogar zunimmt?

Markt und Unternehmensinformationen

Markt und Unter­neh­mens­in­for­ma­tio­nen in der Finanz­kom­mu­ni­ka­ti­on fokus­sie­ren die meist nicht regu­lier­te, weit­ge­hend kos­ten­freie öffent­li­che Kapi­tal­markt­kom­mu­ni­ka­ti­on von Medi­en, Finanz-/In­for­ma­ti­ons­in­ter­me­diä­ren, News-Aggre­ga­to­ren und Unter­neh­mens­in­for­ma­tio­nen außer­halb der adhoc-Pflich­ten. Dabei kön­nen die „myri­ad soci­al media and net­works avail­ab­le“ (Han­na et al., 2011) und ihre viel­fäl­ti­gen Dienst­leis­tungs­an­ge­bo­te als Sym­ptom der Infor­ma­ti­ons­asym­me­tri­en auf den Kapi­tal­märk­ten ver­stan­den wer­den.  Denn die Nut­zung bi- und mult­idi­rek­tio­na­ler Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gi­en wie Foren,  Messenger/Messageboards, Pre­sen­ta­ti­on Sharing, Chat, Video usw. wird durch Kapi­tal­markt­ak­teu­re ver­bun­den mit dem Ziel: „Access to time­ly news was the top rea­son noted for tur­ning to soci­al media at 48%“ (Green­wich Report 2015).

Enttäuschte Erwartungen der User?

Eine wesent­li­che Funk­ti­on von Soci­al-Media-Anwen­dun­gen steht somit in offen­sicht­li­chem Zusam­men­hang mit einer zeit­li­chen Dimen­si­on von Infor­ma­ti­ons­asym­me­tri­en. Mit der Nut­zung von Soci­al-Media-Anwen­dun­gen ver­bin­den die Markt­ak­teu­re die Erwar­tung schnel­ler, direk­ter und kos­ten­güns­ti­ger an han­dels­re­le­van­te Infor­ma­tio­nen zu gelan­gen als bis­her – und einer dro­hen­den Infor­ma­ti­ons­asym­me­trie durch „bypass the midd­le­man“ vor­zu­beu­gen. Sie erwar­ten, bis­her ver­bor­ge­ne Infor­ma­tio­nen zur Unter­le­gung von Inves­ti­ti­ons­ent­schei­dun­gen und Zugang „to niche blogs and news out­lets that would likely have been mis­sed if only picking up tra­di­tio­nal publi­ca­ti­ons like The Wall Street Jour­nal“ zu erhal­ten. Die­se „niche blogs and news out­lets“ zu fin­den, stellt die Akteu­re jedoch mit Blick auf einen 60 Sekun­den-News­strom im Inter­net vor enor­me Her­aus­for­de­run­gen – und ver­weist auf das „satis­fi­cing“ und die „aspi­ra­ti­on levels“, die Simon bereits 1959 the­ma­ti­siert hat. Aber auch die von Kahneman/Tversky the­ma­ti­sier­ten „Illu­si­ons of skills und vali­di­ty“ (vgl. auch der gera­de ver­ge­be­ne Nobel­preis an R. Tha­ler und­sein “Nud­ging-Ansatz”) stel­len die Bedeu­tung von erho­be­nen Infor­ma­tio­nen eben­so in Fra­ge wie die 2009 von Fritsche/Döpke the­ma­ti­sier­ten Pro­ble­me in der Pro­gno­se­fä­hig­keit wirt­schaft­li­cher Ent­wick­lun­gen. Und betrach­tet man mult­idi­rek­tio­na­le Soci­al-Media-Net­works wie Face­book, stellt sich ins­be­son­de­re mit Blick auf Relia­bi­li­tät und Vali­di­tät von Infor­ma­tio­nen die Glaub­wür­dig­keits­fra­ge. Denn wired.de hat 2015 fest­ge­stellt, „dass mehr als 75 Pro­zent der Face­book-User zuge­ben, zu schum­meln“ (wired.de, 2015)

Real-Time-Data zeigt den Traffic von Social-Media-Networks in einem Zeitraum von 60 Sekunden: 350.000 Tweets, 3,3 Mio. Post auf Facebook, 13,2 Mio WhatsApp-Nachrichten, 485.000 Snapchat-Messages, 11.000 Personensuchen auf LinkedIn, 1.400 Blogposts über WordPress-CMS, tbc (Quelle: pennystocks.la, nicht mehr verfügbar)

Real-Time-Data zeigt den Traf­fic von Soci­al-Media-Net­works in einem Zeit­raum von 60 Sekun­den: 350.000 Tweets, 3,3 Mio. Post auf Face­book, 13,2 Mio Whats­App-Nach­rich­ten, 485.000 Snap­chat-Messa­ges, 11.000 Per­so­nen­su­chen auf Lin­kedIn, 1.400 Blog­posts über Wor­d­Press-CMS, tbc (Quel­le: pennystocks.la, nicht mehr ver­füg­bar)

There is no Free Lunch

Mit Blick auf 450 GB neue Daten pro Minu­te gehe ich davon aus, dass Soci­al-Media-Kanä­le Infor­ma­ti­ons­asym­me­tri­en för­dern anstatt sie zu sen­ken. Es ist schlicht und ergrei­fend unwahr­schein­lich, dass man tat­säch­lich “han­dels­re­le­van­te Infor­ma­ti­on” in einem kos­ten­lo­sen Por­tal erhält, die nicht bereits von pro­fes­sio­nel­len Inves­to­ren und/oder ande­ren Markt­ak­teu­ren vor­weg­ge­nom­men wor­den sind. Soci­al-Media-Kanä­le bie­ten zwar oft­mals eine  „the­men­fo­kus­sier­te“ aber offe­ne Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen Weni­gen (Chats) oder Vie­len (News­groups). War­um in die­sen Kanä­len aber infor­mier­te Inves­to­ren wert­vol­le, bis­her ver­bor­ge­ne Infor­ma­tio­nen kos­ten­frei an unin­for­mier­te Inves­to­ren wei­ter­ge­ben sol­len, erschließt sich mir rein logisch nicht – und kor­re­liert auch nicht mit dem berühm­ten „Lemons-Pro­blem“ von Nobel­preis­trä­ger Aker­lof aus den frü­hern 70er Jah­ren. Viel eher erklä­ren dies jähr­lich rund 75 — 100 Mil­lio­nen USD, die allei­ne von HFT-Fir­men an Mar­ket-Data-Pro­vi­der in den USA bezahlt wer­den – und das State­ment von Inves­to­ren­le­gen­de War­ren Buf­fet: The­re is no Free Lunch!

Ergo: Wert­hal­ti­ge Infor­ma­tio­nen kos­ten Geld – Soci­al-Media-Kanä­le sind fast aus­nahms­los kos­ten­frei! Den Ein­wurf, die Wäh­rung sind die per­sön­li­chen Daten las­se ich einer­seits gel­ten, denn die sind bares Geld wert. Ande­rer­seits las­se ich ihn nicht gel­ten, denn der Wert der per­sön­li­chen Infor­ma­tio­nen ist weni­ger gewich­tig als die wirk­lich han­dels­re­le­van­te Infor­ma­ti­on!