Real-Time? Welche meinst Du: Pre- oder Post-Real-Time?


Real­time bedeu­tet heut­zu­ta­ge selbst­ver­ständ­lich nicht Real­time! Denn Co-Loca­ti­ons bie­ten die Mög­lich­keit, auch Real­time noch vor­ab-Infos erhal­ten zu kön­nen. Wie das geht, erklä­re ich in die­sem Post.

Insi­der Tra­ding 2.0“ nennt NY Attor­ney Gene­ral Eric Schnei­der­man die soge­nann­ten Co-Loca­ti­ons, die ins­be­son­de­re von Hoch­fre­quenz­händ­lern, Hedge­fonds und ande­ren pro­fes­sio­nel­len Markt­teil­neh­mern genutzt wer­den. Co-Loca­ti­on bedeu­tet, dass die Händ­ler ihre Rechen­sys­te­me direkt an die Bör­sen­sys­te­me ando­cken kön­nen. Um Gleich­be­hand­lung zwi­schen den ver­schie­de­nen Mie­tern zu gewähr­leis­ten, wer­den z.B. im NYSE-Rechen­zen­trum in Mah­wah, New Jer­sey, die Kabel­län­gen der Co-Loca­ti­ons vor­ge­fer­tigt. Hier­durch wird sicher­ge­stellt, dass alle Kun­den die iden­ti­schen Län­gen haben und Infor­ma­tio­nen nicht 1 oder 2 Nano­se­kun­den schnel­ler bei ande­ren Co-Loca­ti­on-Mie­tern verfügbar sind. In einer digi­ta­li­sier­ten Welt ist der dezen­tra­le Bör­sen­stand­ort selbst völ­lig irrele­vant, solan­ge die Mie­ter ihre Rech­ner in Co-Loca­ti­on direkt neben dem Bör­sen­rech­ner auf­stel­len kön­nen. So ste­hen die Co-Loca­ti­on-Rech­ner der Deut­schen Bör­se nicht in Frank­furt a.M., son­dern in der Nähe von Ham­burg, wo sich das Rechen­zen­trum befin­det.

Nut­zer von Co-Loca­ti­ons haben die Mög­lich­keit, han­dels- und kurs­re­le­van­te Infor­ma­tio­nen zu ver­ar­bei­ten, noch bevor die­se im öffent­li­chen Order­buch erschei­nen. Dies lässt sich z.B. anhand der Geschwin­dig­keit der Ermitt­lung des NBBO (Natio­nal Best Bid and Offer) in den USA erken­nen. Dies ist der aus allen markt­fä­hi­gen Orders von 13 us-ame­ri­ka­ni­schen Bör­sen errech­ne­te bes­te natio­na­le Kauf- und Ver­kaufs­preis. Die­ser wird im „Secu­ri­ties Infor­ma­ti­on Pro­ces­sor“ (SIP) berech­net, und speist die Tafeln am Akti­en­markt eben­so wie die Bild­schir­me der Tra­der mit Bloom­berg Ter­mi­nals, Eikon-Sys­te­men von Thom­son­Reu­ters oder den Data-Ser­vices von DowJo­nes usw. Die Berech­nung die­ser Daten­strö­me in der Matching-Machi­ne führt auf­grund ver­al­te­ter Tech­no­lo­gie und inter­es­sen­ge­lei­te­ter Poli­tik dazu, dass Co-Loca­ti­on-Mie­ter einen Zeit­vor­teil von 25 Tau­sends­tel­se­kun­den vor allen ande­ren gewöhn­li­chen Inves­to­ren erhal­ten, die kei­nen Zugriff auf die Roh­da­ten der Order­feeds haben.

Aber es gibt noch wei­te­re Mög­lich­kei­ten, Daten ex ante zu erhal­ten, obwohl der Rest der Markt­teil­neh­mer auf einen spe­zi­fi­schen Zeit­punkt wie z.B. eine Bör­sen­mit­tei­lung war­tet. Prin­zi­pi­ell haben alle Markt­teil­neh­mer die Mög­lich­keit, sys­tem­be­ding­te Infor­ma­tio­nen wie z.B. die Zins­er­hö­hung einer Noten­bank durch das Abon­nie­ren des ent­spre­chen­den News-Feeds des Aus­sen­ders sym­me­trisch, also real-time, zu erhal­ten. Man­che Akteu­re haben aber die Mög­lich­keit, ex ante einen „ear­ly-peek“ zu erhal­ten, indem sie z.B. den Michi­gan Con­su­mer Index gegen eine Gebühr von rd. 25.000 USD 15 Minu­ten frü­her ein­se­hen dür­fen. Dabei muss man sich vor Augen hal­ten, dass auf des­sen Sen­ti­ment in den nächs­ten Stun­den Bör­sen­trans­ak­tio­nen im Mul­ti-Bil­lio­nen-Dol­lar-Umfang getä­tigt wer­den. Wer hier früh­zei­tig die Rich­tung kennt, in die der Markt lau­fen wird, der hat einen kla­ren Vor­teil. Das ist aber nur ein Bei­spiel von vie­len, wel­che die Bezeich­nung Real-Time in ein neu­es Licht rücken sol­len.

Auch die von vie­len Pri­vat­ban­ken kos­ten­pflich­tig ange­bo­te­nen Real-Time-Han­dels­zu­gän­ge sind letzt­lich nur ein Schein. Wie läuft denn der Order­vor­gang vom hei­mi­schen PC aus ab? Nun, als ers­tes geht es via Netz­an­bie­ter in die zen­tra­le Ver­mitt­lungs­stel­le, von da in die Bank ans Ter­mi­nal und von dort an die Bör­se. Der erteil­te Auf­trag erhält aber den Zeits­tem­pel der Order­auf­nah­me im Han­dels­buch und nicht den der PC-Zeit zuhau­se. Bedeu­tet was? Die Bör­se selbst weiß spä­tes­tens wenn der Auf­trag im Han­dels­sys­tem der Bank ver­ar­bei­tet wird, dass da eine Order (Kauf/Verkauf) zu die­ser oder jener Aktie kommt. Sie weiß wei­ter, wel­ches Limit (so eins ange­ge­ben wur­de) mit im Auf­trag steht und auch, woher die Order kommt. Für algo­rith­mi­sche Han­dels­sys­tem ist so etwas natür­lich ide­al. Denn die haben, im Ver­gleich zur Bank­lei­tung an die Bör­se, einen 10-spu­ri­gen Speed­way, auf dem sie jede Order über­ho­len kön­nen. Da sie schnel­ler vor Ort sind, kön­nen sie die Akti­en weg­schnap­pen und für einen mini­mal höhe­ren Kurs wie­der an uns wei­ter ver­kau­fen. Da sie die Limits ken­nen, ist das ein risi­ko­lo­ses Geschäft. Es nennt sich Front-Run­ning und soll­te mitt­ler­wei­le ver­bo­ten sein. Ob es tat­säch­lich nicht mehr gen­tuzt wird, mag ich jedoch bezwei­feln.