Emittentenhaftung und Prospektpflicht bei ICOs und Token Sales?


Für pauschale Verbote gibt es keine Grundlage – ABER!

Im Han­dels­blatt war am 14.11.2017 ein Inter­view mit Chris­toph Krei­ter­ling, sei­nes Zei­chens Finanz­auf­se­her bei der BaFin und zustän­dig für digi­ta­le Geschäfts­mo­dell und neue Finanz­pro­duk­te. In den meis­ten Medi­en wur­de nur die Über­schrift zitiert “Für pau­scha­le Ver­bo­te gibt es kei­ne Grund­la­ge”, mir greift das ein wenig zu kurz. Inhalt­lich geht Krei­ter­ling auf die ver­schie­de­nen Betrugs­fäl­le im Kryp­to­um­feld ein, nennt das Schnee­ball­sys­tem OneCoin und den Hack auf die ers­te DAO, bei der gut ein Drit­tel der zunächst ein­ge­sam­mel­ten 160 Mio. € geka­pert wer­den konn­ten.

Die für mich ent­schei­den­de Aus­sa­ge in dem Inter­view ist aber nich die Absa­ge an Ver­bo­te und/oder über­mä­ßi­ge Regu­lie­rung, son­dern der offe­ne Hin­weis auf die not­wen­di­gen gericht­li­chen Ein­zel­fall­ent­schei­dun­gen im Sin­ne einer Pro­spekt­haft­pflicht oder Emit­ten­ten­haf­tung. Bis­her ver­öf­fent­li­chen die Grün­der von Anwen­dun­gen im Bereich Kryp­towäh­rung aus­schließ­lich soge­nann­te White Paper. In die­sen wer­den mehr oder weni­ger aus­führ­lich – und mehr oder weni­ger ver­ständ­lich für Lai­en  – die wich­tigs­ten Fea­tures des ange­dach­ten Pro­jek­tes dar­ge­stellt. Es wird im Ide­al­fall zwar auf Soft­ware- und Hard­ware­ri­si­ken hin­ge­wie­sen, meist erschöp­fen sich die­se Papers aber in der Dar­stel­lung der (noch zu ent­wi­ckeln­den) Tech­no­lo­gie, der Dar­stel­lung des Teams, der Tokens selbst und vor allem der “Busi­ness Oppor­tu­nities” und indi­rekt auch der damit ver­bun­de­nen Kurs­chan­cen.

Grund­sätz­lich sind die über ICOs ver­kauf­ten Coins/Tokens/… der BaFin zufol­ge Finanz­in­stru­men­te im Sin­ne des KWG (Kre­dit­we­sen­ge­setz). Der blo­ße Ver­kauf die­ser Instru­men­te stellt dabei aber noch kein Bank­ge­schäft oder kei­ne Finanz­dienst­leis­tung dar, womit eine Erlaub­nis­pflicht nach dem KWG wie­der aus­schei­det. Eben­so schei­det die Regu­lie­rung nach dem Zah­lungs­diens­te­auf­sichts­ge­setz (ZAG) aus, da kein FIAT-Geld oder Kryp­to­geld (elektronisches/digitales Geld)  trans­fe­riert wird. Und ob die vir­tu­el­len Wäh­run­gen die Defi­ni­tio­nen des Wert­pa­pier­han­dels­ge­set­zes (WpHG) erfül­len, sodass für die Aus­ga­be von Token im Rah­men eines ICO eine Pro­spekt­pflicht nach dem Wert­pa­pier­pro­spekt­ge­setz (WpPG) in Fra­ge käme, ist noch nicht ent­schie­den.

Auch die ESMA hat am 13.11.2017 noch ein­mal expli­zit dar­auf hin­ge­wie­sen, “whe­re ICOs qua­li­fy as finan­ci­al instru­ments, it is likely that firms invol­ved in ICOs con­duct regu­la­ted invest­ment activi­ties, in which case they need to com­ply with the rele­vant legis­la­ti­on, inclu­ding for examp­le:

  • · the Pro­s­pec­tus Direc­tive,
  • · the Mar­kets in Finan­ci­al Instru­ments Direc­tive (MiFID),
  • · the Alter­na­ti­ve Invest­ment Fund Mana­gers Direc­tive (AIFMD); and
  • · the Fourth Anti-Money Laun­de­ring Direc­tive.

ESMA stres­ses that firms invol­ved in ICOs should give care­ful con­s­i­de­ra­ti­on as to whe­ther their activi­ties con­sti­tu­te regu­la­ted activi­ties. Any fail­u­re to com­ply with the app­li­ca­ble rules will con­sti­tu­te a bre­ach (vgl. ESMA).

Mögliche Prospektpflicht nach dem Vermögensanlagengesetz?

Eine Regu­lie­rung nach den Vor­schrif­ten aus dem Wert­pa­pier­pro­spekt­ge­setz (WpPG) oder dem Ver­mö­gens­an­la­ge­ge­setz (VermAn­lG) ist Krei­ter­ling zufol­ge aber durch­aus im Bereich des mög­li­chen – er erwar­tet eine gericht­li­che  Ein­zel­fall­ent­schei­dung, wel­che dann eine Pro­spekt­pflicht für ein öffent­li­ches Token­an­ge­bot zur Fol­ge haben könn­te. Ent­schei­dend ist jeden­falls, wie die in einem ICO ange­bo­te­nen Token aus­ge­stal­tet sind.

Unter­schei­den muss man ein­fa­che Token (Plain-Vanil­la-Vari­an­te), die außer der Inha­ber­schaft kei­ne wei­ter­füh­ren­de Rech­te beinhal­ten, und Token, die dem Inha­ber des Tokens wei­te­re Rech­te wie z.B. Bezugs­rech­te bei einer ergän­zen­den Token­aus­ga­be zuge­ste­hen. Das wäre dann eine immer stär­ke­re Ähn­lich­keit zu Akti­en und den damit ver­bun­de­nen Mög­lich­kei­ten der Neu­emis­si­on wei­te­rer Antei­le im regu­lier­ten Bör­sen­um­feld. Alt­be­sit­zer kön­nen die Ver­wäs­se­rung ihrer Antei­le durch das Zeich­nen der neu aus­zu­ge­ben­den Akti­en regel­mä­ßig ver­hin­dern, man spricht auch hier von Bezugs­rech­ten. Da die Aus­ge­stal­tung der Token mit Bezugs­rech­ten mani­g­fal­tig aus­ge­stal­tet wer­den kann, erscheint die Regu­lie­rung von Tokens unter dem VermAn­lG i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 1 durch­aus vor­stell­bar. Zumin­dest dann, wenn Aus­schüt­tun­gen (vgl. Divi­den­den oder Zin­sen) an die Inha­ber nach fes­ten Regeln erfol­gen und das Unter­neh­mens­er­geb­nis als Rech­nungs­grund­la­ge her­an­zie­hen. Aber auch nach Wert­pa­pier­han­dels­ge­set­zes (WpHG) oder sogar dem Zah­lungs­diens­te­auf­sichts­ge­setz (ZAG) könn­te eine mög­li­che Haf­tung der Emit­ten­ten begrün­det wer­den, so zumin­dest die Exper­ten von der Groß­kanz­lei CMS.

Es ist also offen­sicht­lich, dass in der Aus­ga­be von Token und Coin die tech­ni­schen Mög­lich­kei­ten der­sel­ben ent­schei­dend sind, ob eine Regu­lie­rung von ICOs und/oder Tokens nach deut­schem Recht zwin­gend wird. Ich bin mir sicher, dass sich kaum einer der Emit­ten­ten von Tokens bis­her mit die­sem The­ma beschäf­tigt hat und sich dar­über im Kla­ren ist, wel­che Haf­tungs­ri­si­ken er per­sön­lich ein­geht. Ins­be­son­de­re dann, wenn noch kei­ne haf­tungs­be­schränk­ten Gesell­schaf­ten gegrün­det sind und die Rechts­form der GbR mit unbe­grenz­ter per­sön­li­cher Haf­tung ein­her­geht.

Ich gehe wei­ter davon aus, dass es letzt­lich nur ein Fra­ge der Zeit ist, wann ein vom ICO ent­täusch­ter Anle­ger vor einem ordent­li­chen Gericht Kla­ge erhebt. Mög­li­cher ers­ter Ansatz­punkt ist die Pro­spekt­haf­tung, wel­che im Umfeld von geschlos­se­nen Fonds zu einem schar­fen Schwert gewor­den ist und zuneh­mend in anle­ger­freund­li­chen Urtei­len endet. Es belibt also abzu­war­ten, nicht ob, son­dern wann der ers­te Emit­tent von Tokens sein Fun­ding vor Gericht ver­tre­ten muss. Und bei den Sum­men, um die es oft­mals geht, wird es sicher­lich nicht lan­ge dau­ern, bis die ers­ten Anwalts­akanz­lei­en in dem Markt tätig wer­den!

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ein paar wei­ter­füh­ren­de Links zum The­ma:

https://www.cmshs-bloggt.de/

https://www.winheller.com/