Der Digital Services Act (PDF) und der Digital Markets Act (PDF) sind ein umfassendes Bündel neuer Regeln für die gesamte EU. Sie sollen einen sichereren und offeneren digitalen Raum schaffen, in dessen Zentrum die Berücksichtung und Einhaltung der zentralen europäischen Grundwerte stehen. Nämlich: Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Es fällt nicht schwer zu erkennen, dass mehrere dieser Grundwerte im aktuellen Umfeld von Social-Media und Messenger-Plattformen teilweise oder vollkommen missachtet werden. Eine rechtliche Handhabe dagegen wurde in den letzten Jahren stets mit dem Verweis auf die ausländischen Firmensitze in Frage gestellt. Nun, im Jahr 2020, hat es sich die EU-Kommission zur Aufgabe gemacht, die bereits 2019 angestoßenen Konsultationsverfahren in einem Gesetzesvorhaben umzusetzen.
Die 2 Kerngedanken, man könnte auch Leitgedanken sagen, sind erstens, einen sichereren digitalen Raum zu schaffen, in dem die Grundrechte aller Nutzer digitaler Dienste geschützt sind und zweitens, die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen zur Förderung von Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit, sowohl im europäischen Binnenmarkt als auch weltweit. Klingt zunächst mal einfach, betrachtet man aber die aktuellen Marktverteilungen der 4 großen Webkonzerne, kurz GAFA genannt, dann wird die Aufgabe schon schwerer.
Lang genug hat es gedauert, mag der eine oder andere Kritiker sagen. Aber bei näherer Betrachtung muss ich sagen, dass die heutigen Plattformen und deren Nutzungsmöglichkeiten weit über das hinausgehen, was vor 5–10 Jahren überhaupt vorstellbar ward. Insofern erscheint es nicht zu spät, wenn die aktuellen Data-Mining-Strategien, Microtargeting-Konzepte und die permanenten Cross-Site-Analysen mit in die neuen Verordnungen augenommen werden – vor 10 jahren gab es die so noch nicht. Und wenn man den Zeitraum von 20 Jahren nimmt, den es gedauert hat , bis eine neue Digitalverordnung in der EU in Kraft tritt, dann ist es mir so wie es jetzt gelaufen ist lieber. Ich möchte mir nämlich nicht vorstellen wie es wäre, wenn die aktuellen Strategien weitere 10 Jahre ohne Einschränkungen weiterlaufen dürften. Europa wäre dannach nicht mehr das Europa, welches es heute noch ist: freiheitlich und demokratisch, offen für Ideen und Meinungen und überzeugt in Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Die gesellschaftlichen Entwicklungen in den USA sollten uns mahnendes Beispiel sein, dies nicht auf’s Spiel zu setzen. Die aktuell in den USA laufenden Überlegungen und Konsultationen zur Zerschlagung, mindestens aber zur Einhegung insbesondere Facebooks, sprechen meines Erachtens eine deutliche Sprache. Nichts anderes als der Fortbestand der Demokratie steht in meinen Augen auf dem Spiel. Trump mit seiner Weigerung die Wahl anzuerkennen spiegelt dies ja bereits wider – ohne Social-Media-Kanäle und selbst gewählte Informatonsblasen war so etwas in der vergangenheit undenkbar.
Europa hat gute Chancen sich zu behaupten
Bisher hat sich Europa in Sachen Social-Media und Datenplattformen fast ausschließlich auf amerikanische Unternehmen gestützt. Andere Anbieter, durchaus technologisch ebenbürtig oder gar in manchen Dingen überlegen, wurden kaum oder ur von wenigen Spezialisten genutzt. So ist der russische Messengerdienst Telegram dem us-amerikanischen Wettbewerber WhatsApp sicherlich ebenbürtig, in manchen Punkten wie z.B. End-to-End-Verschlüsselung gar überlegen (gewesen). Weiter muss man sich immer vor Augen halten, dass Facebook et al als us-amerikanische Unternehmen dem sogenannten USA Patriot Act (hier) unterworfen sind und somit alle – ALLE – Daten auf Anforderung hin an amerikanische behörden übermitteln müssen. Die EU hat hier mit ihrer DSGVO oder im englischen GDPR in den letzten Jahren geantwortet. Nicht ganz freiwillig, wie die meisten wissen, sondern nur auf Klage hin. Schrems (EuGH, Urteil vom 6. Oktober 2015, Az. C‑362/14) und Schrems 2 (EuGH, Urteil vom 16.07.2020, Az. C-311/18) sind bahnbrechende Urteile und sind in meinen Augen die Basis für eine europäische Online-Strategie, die bisherigen Platzhirsche an die Leine zu nehmen und Verantwortung für ihr Handeln einzufordern.
Die DSGVO ist dabei unser schärstes Schwert und wer einen Zugang zu 400 Millionen Verbrauchern in Europa erhalten will, der muss auf die Einhaltung europäischer Datenschutzrichtlinien verpflichtet werden. Wer das nicht garantieren kann oder will, dem kann keinen Zugang zum Markt gewährt werden. So einfach ist das! In den USA wächst langsam auch die Erkenntnis heran, dass die Aktivitäten der Digitalkonzerne einer besseren Regulierung und Aufsicht unterworfen werden müssen. ie Zerschlagungsideen, die gerade im amerikanische Kongress diskutiert werden, erinnern sehr an Big Blue, IBM, in den 70ern. Too big to fail mag ja bei Banken leider weiterhin gelten – too big to compete wird es bald nicht mehr geben.
Unabhängig davon, ob Facebook als POTUS’ Liebling nun zerschlagen wird oder nicht, wird die DSGVO im Zusammenhang mit den beiden Schwestern DSA und DSM sehr wohl ihre Wirkung in Europa entfalten. Die 3 Regularien werden die Basis für künftige Online-Businesses werden und die Business-Modelle von GAFA erheblich beeinflussen. Denn das Sammeln von persönlichen Daten, das Cross-Site-Tracking oder das ungefragte – im Hintergrund ablaufende – Setzen von Cookies darf nur noch bei Zustimmung des Users eingesetzt werden. Wenn also die breite Masse GAFA davon abhält, Daten zu sammeln, dann lohnt sich das Geschäftsmodell nicht mehr. Oder besser: wenn GAFA zwar erlaubt ist, die Real-Time-Daten anzuschauen, nicht aber zu speichern, dann ist der Aufwand für dieses Data-Ming schlicht zu groß. Bisher haben die User in Europa diese Services bezahlt – mit ihren Daten!