What ever happened to the Phillips-Curve


Warum Inflation und Arbeitslosigkeit nicht mehr negativ korrelieren. Ein Erklärungsversuch!

Am 26.08.2017 war in der SZ unter der Über­schrift “Die Noten­ban­ker sind ver­stört” ein inter­es­san­ter Arti­kel zum The­ma Ein­fluss der Geld­markt-/Fis­kal­po­li­tik auf die Real­wirt­schaft respek­ti­ve die Arbeits­lo­sen­zah­len. Dabei haben die Noten­ban­ker fest­ge­stellt, dass die Wirt­schaft zwar wächst, die Infla­ti­on aber wei­ter­hin schwach bleibt. Sie haben sich also die Fra­ge gestellt, ob die alten Regeln nicht mehr gel­ten?

Gewissheiten lösen sich auf!

Es war ein­mal gemein­sa­me fes­te Über­zeu­gung der Fis­kal­po­li­ti­ker, dass über staat­li­che Geld­po­li­tik die Infla­ti­ons­er­war­tun­gen und Arbeits­lo­sig­keit ziel­ge­rich­tet beein­flusst wer­den kön­nen. Jahr­zehn­te wur­de bei stei­gen­der Arbeits­lo­sig­keit an der Zins­schrau­be gedreht und somit ver­sucht, die Infla­ti­on bei rund 2 % zu hal­ten. Ein durch­schnitt­li­cher Preis­an­stieg von zwei Pro­zent — das ist für die Noten­ban­ken aller Indus­trie­staa­ten der Inbe­griff sta­bi­ler Prei­se und Ziel und Auf­ga­be ein jeder Zen­tral­bank. Seit den spä­ten 80er Jah­ren lässt sich aber fest­stel­len, dass die ursprüng­lich als untrenn­bar mit­ein­an­der ver­wo­be­nen Zusam­men­hän­ge – und erst­ma­lig in den 50ern des letz­ten Jahr­hun­derts unter dem Begriff Phil­lips-Cur­ve bekannt gewor­den – nicht mehr zu gel­ten schei­nen. Unab­hän­gig von den Akti­vi­tä­ten der Zen­tral­bank (FED oder EZB) ent­wi­ckelt sich die Infla­ti­on und die Arbeits­lo­sig­keit voll­kom­men unab­hän­gig von­ein­an­der  und ist nicht mehr – wie frü­her – den fis­kal­po­li­ti­schen Maß­nah­men gefolgt. So gab es mit Aus­bruch der Finanz­kri­se in 2007/8 eine star­ke Zunah­me der Arbeits­lo­sig­keit bei gleich­zeit­ger Abnah­me des Zin­ses bis in den nega­ti­ven Bereich hin­ein! Im Rah­men der jahr­zehn­te­lang als gül­tig erach­te­ten Phi­lips-Cur­ve ist so eine Ent­wick­lung nicht vor­ge­se­hen.

Inflation und Arbeitslosigkeit hängen zusammen? Really?

Aber auch heu­te, 10 Jah­re spä­ter, haben wir wei­ter­hin mit ähn­li­chen Pro­ble­men zu kämp­fen. So wur­de im Sep­tem­ber 2015 in den USA die Infla­ti­ons­mar­ke von 2 % nach vie­len Jah­ren wie­der erst­mals  erreicht, fol­ge­rich­tig lei­te­te die Noten­bank im Dezem­ber des Jah­res die zins­po­li­ti­sche Wen­de ein. Der zwei­te Zins­schritt kam Ende 2016, Num­mer drei und vier folg­ten im ers­ten Halb­jahr 2017. Mitt­ler­wei­le liegt die Tages­geld­ziel­span­ne wie­der bei 1,0 bis 1,25 Pro­zent. Im Febru­ar die­ses Jah­res stieg die Infla­ti­ons­ra­te erst­mals wie­der über den Ziel­wert der Fed von zwei Pro­zent, die Noten­bank wer­te­te dies als Signal, ihren Kurs der geld­po­li­ti­schen Straf­fung sogar noch zu beschleu­ni­gen.

Doch dann trat das Pro­blem der Phil­lips-Cur­ve wie­der offen zu Tage: Obwohl die Erwerbs­lo­sen­quo­te wei­ter auf 4,3 Pro­zent und damit gewis­ser­ma­ßen in den roten Bereich sank, stieg die Infla­ti­on nicht wei­ter — im Gegen­teil: Sie sank plötz­lich wie­der. Im Mai lag sie bei gera­de ein­mal noch 1,5, im Juni gar nur noch bei 1,4 Pro­zent. Seit­her debat­tie­ren die Gou­ver­neu­re und Regio­nal­prä­si­den­ten der Fed nicht nur dar­über, ob sie die für den Herbst geplan­te drit­te Zins­er­hö­hung des Jah­res ein­mal mehr auf­schie­ben sol­len.

Schere Finanz- und Realwirtschaft geht weiter auseinander!

War­um stimmt die Phi­lips-Kur­ve also nicht mehr mit den frü­her gezeig­ten Mus­tern über­ein? Denn man kann erken­nen, dass unab­hän­gig davon, was die FED auch unter­nimmt, die Infla­ti­on und Arbeits­lo­sig­keit ste­hen offen­sicht­lich nicht mehr im direk­ten kau­sa­len Zusam­men­hang, eine nega­ti­ve Kor­re­la­ti­on ist nir­gends erkenn­bar. War­um ist das so? Ich habe hier­von eine recht kla­re Vor­stel­lung. Und die hängt  unmit­tel­bar mit der ande­ren gro­ßen Fra­ge zusam­men: War­um beträgt das Welt-BIP nur 1/10 des Deri­va­te­vo­lu­mens? Und die Ant­wort dar­auf ist in mei­nen Augen doch recht offen­sicht­lich. Inner­halb eines Unter­neh­mens müs­sen Inves­ti­ti­ons­vor­ha­bem grund­sätz­lich anhand der IRR-Metho­de veri­fi­ziert wer­den. Die IRR (Inter­nal-Rate-of-Return) stellt dabei sozu­sa­gen die Bench­markt für die Inves­ti­ti­on in Maschi­nen oder sons­ti­ge Pro­duk­ti­ons­mit­tel dar. Beträgt die­se bei­spiels­wei­se 6 %, kann der Unter­neh­mer mit einem ROI (Return on Invest) von rund 10 — 12 Jah­ren rech­nen. Dem hält der Con­trol­ler aber eine Ren­di­te­grö­ße von 15 % ent­ge­gen, die er nach­steu­er­lich über struk­tu­rier­te Finanz­de­ri­va­te erzie­len kann. Damit steht der Unter­neh­mer vor der Ent­schei­dung, ent­we­der eine Reinves­ti­ti­on in sein eige­nes Unter­neh­men zu täti­gen und ca. 10 Jah­re auf die Amor­ti­sa­ti­on zu war­ten. Oder er inves­tiert in Finanz­de­ri­va­te und erzielt eine mehr als dop­pelt so hoch zu erwar­te­ten­de Kapi­tal­ren­di­te wie im ers­ten Bei­spiel. Es ver­steht sich von selbst, dass im Zuge einer Finanz­in­ves­ti­ti­on kei­ner­lei neue Arbeits­plät­ze ent­ste­hen wer­den und somit der mitt­ler­wei­le feh­len­de Zusam­men­hang von Zins und Arbeits­plät­zen deut­lich wird. Und wei­ter ist klar, dass kapi­tal­markt­ori­en­tier­te Akti­en­ge­sell­schaf­ten sich an den Inves­ti­ti­ons­ren­di­ten mes­sen las­sen müs­sen, ansons­ten könn­te ihnen sogar die Ver­un­treu­ung von Gesell­schafts­ver­mö­gen vor­ge­wor­fen wer­den. Immer­hin haben sie in dem genann­ten Bei­spiel auf rund 9 % Ren­di­te p.a. ver­zeich­net.

Mei­ne Fol­ge­rung lau­tet daher: Je mehr Inves­ti­tio­nen in die Finanz- anstatt Real­wirt­schaft erfol­gen, umso schwä­cher wird der Zusam­men­hang von Inves­ti­tio­nen auf Infla­ti­on und Arbeits­lo­sig­keit. Da die­ser Markt – wie oben dar­ge­stellt – anhand Über­le­gun­gen hin­sicht­lich Ren­di­te und ROI bestimmt wird, sehe ich kei­ne Zukunft mehr für die Phil­lips-Cur­ve. Aktu­ell ist sie tot! Die Erkennt­nis soll­te unse­re (Finanz-)Politiker in mei­nen Augen dazu brin­gen, über alt­her­ge­brach­te Maß­nah­men nach­zu­den­ken und von über­kom­me­nen Maß­nah­me-Wir­kungs-Zusam­men­hän­gen Abstand zu neh­men. Die Zei­ten haben sich geän­dert, die Volks­wirt­schaf­ten funk­tio­nie­ren nicht mehr wie vor 50 Jah­ren.

Der ursprüng­lich etwas aus­führ­li­che­re Arti­kel von Ed Dolan zu dem The­ma kann bei Sli­desha­re abge­ru­fen wer­den.