Letztes Jahr konnten die ersten ENS-Domains registriert werden – ich hatte zu dem mehrstufigen Prozedere einen ausführlichen Artikel geschrieben – Anfang September 2019 begann nun die Auktionsphase der 3–6-stelligen Domains wie z.B. assets.eth, funds.eth, bond.eth, ico.eth oder eben die üblichen Verdächtigen aus dem Unterhaltungsbereich wie z.B. sex.eth.
Das Bieterverfahren war nicht wie bisher im Rahmen einer Vickrey-Auktion ermöglicht worden, sondern mit einer eher dem ebay-Prinzip ähnelnden “englischen Auktion”. Es war also möglich – und nötig – mehrfach zu bieten und sein eigenes Gebot entsprechend anderer Bieter anzupassen. Dabei war für jede Domain ein fixer Zeitpunkt angegeben, an dem diese verauktioniert wurde. Leider konnte das auch bedeuten, dass man nachts um 03:15 a.m. vor dem Rechner sitzen musste, wenn man ernsthaftes Interesse an einer bestimmten ENS hatte. Dabei wurde innerhalb der letzten 5 Minuten die Frist jeweils erneut um 5 Minuten verlängert, sofern ein höheres Gebot abgegeben wurde. Hierdurch sollte last-second Grabbing verhindert werden, wie es oft bei ebay zu beobachten ist. Abgewickelt wurde das gesamte Verfahren über die Digital-Asset-Plattform “opensea.io”, welche mir bisher nicht wirklich präsent war – ich bin kein Gamer. Opensea.io bietet digitale assets in Form von Game-Accessories und ähnliches, wie gesagt ich bin kein Gamer und habe da wenig Einblick bisher.
NICHT GANZ FEHLERFREI
Das Auktionsverfahren war nicht ganz fehlerfrei gestartet und musste nach wenigen Tagen bereits unterbrochen werden. Grund waren ENS, die entweder nach Abschluss der Auktion falsch zugewiesen, zu einem falschen Preis übertragen oder auch gehijacked wurden, sprich es war wohl möglich, über den SDK willkürlich Domains auf sein eigenes Wallet kostenfrei zu übertragen. Und wie wir alle wissen, gilt in der Blockchain, weg ist weg – eine Rückabwicklung in Ermangelung einer zentralen Instanz ist nicht möglich. Das Auktionsverfahren wurde also unterbrochen und das ENS-Team hat alle ca. 100 betroffenen Domaininhaber kontaktiert und zur Rückübertragung aufgefordert. Verbunden war dieser Aufruf mit einem Bounty in Höhe von 25% des künftigen Auktionsbetrages sowie selbstverständlich der Rückerstattung der bezahlten Kaufpreise. Ich war mit meiner ENS „assets.eth“ ebenfalls betroffen… hierzu aber später mehr.
wETH vs. ETH
Um die Auktionen rechts-/vertragssicher zu gestalten und die Transaktionen zu gewährleisten wurde die Transaktionswährung wETH verwendet. wETH sind „wrapped ETH“, stellen also den 1:1 Gegenwert eines Ether dar. Besonderheit ist, dass wETH im Rahmen der Auktionsverfahren in eine Art „Escrow-Zustand“ überführt werden und somit sichergestellt werden kann, dass der gebotene Betrag am Ende der Auktion auch verfügbar ist. Es war folglich notwendig, sein Wallet in opensea.io zu connecten (via MetaMask z.B.) und dort ETH in wETH zu tauschen. “The reason you need wETH is to be able to trade ETH for other ERC-20 tokens on decentralized platforms like [opensea.io]. Der Treppenwitz bei wETH ist dabei, dass ETH zu einer Zeit entwickelt wurde, als der ERC20-Token-Standard noch nicht existierte. ETH ist also per se nicht ERC20-kompatibel, zumindest dann nicht, wenn auf externen dAPPS ERC20-kompatible Assets mit ETH erworben werden sollen. Hier kommt dann wETH ins Spiel, welches dem ETH die fehlende ERC20-Kompatibilität bietet.
Gut 6 WOCHEN AUKTIONSSTRESS
Durch die Aufteilung der Auktionen in 5/6-stellige, in 4-stellige und in 3-stellige ENS hatte sich ein recht langwieriger Auktionsprozess ergeben. Wer seine ENS sicher haben wollte, musste einerseits ein Gebot abgeben, ansonsten veränderte sich der Auktionszeitpunkt ggf. auf einen anderen Tag, und man musste sich die Uhrzeiten notieren, zu welcher der Zuschlag erfolgte. All das hat dazu geführt, dass ich eine Liste mit rund 125 ENS zusammengestellt hatte und nahezu 24h rund um die Uhr ein Laptop bei mir hatte, um ggf. Gebote zu erhöhen. Die absurdeste Situation war, als ich mit dem Auto unterwegs war, um meine Tochter samstags von einem Geburtstagsfest abzuholen. Das Laptop lag stets auf dem Beifahrersitz und war via mobile Hotspot im Netz, um Gebote bestätigen zu können. Ich bin auf jeden Fall froh, dass am 06.11.2019 die letzte ENS-Auktion gelaufen und der Dauerstress vorüber ist.
MY ITEMS
Gewonnene Domains kann man in seinem Account bei opensea.io administrieren und die entsprechenden Controller und Resolver setzen sowie die Adressvergabe anlegen. Der Controller ist dabei diejenige Adresse, welche Transaktionen empfängt oder sendet. Der Resolver wiederum ist vergleichbar mit dem Adress-Übersetzer aus dem DNS-System, hier werden die ENS-Domains wie z.b. assets.eth mit einer 42-stelligen Walletadresse 0xdgive38uegjnq08irfh398sjdh9w7z9opjiz verknüpft. So kann sichergestellt bzw. soll es erleichtert werden, dass Transaktionen nicht wegen einer falsch eingegeben Ziffer unwiederbringlich verloren sind. Eine einfache ENS ist hierzu der Schlüssel.
Wie anfänglich bereits dargestellt, war der Auktionsprozess nicht ganz ohne Schwierigkeiten und Bugs abgelaufen und musste nach 3 Tagen bereits unterbrochen werden. Grund waren Bugs, die zu unerlaubten ENS-Transaktionen geführt hatten und die zuerst behoben werden mussten, um die Auktion nicht in ihrer Gesamtheit zu gefährden. So hatte ich mich z.B. um die ENS assets.eth beworben und war bei 15 wETH (ca. 2.500 €) überboten worden. Zu meiner Überraschung hatte ich die ENS aber kurz darauf in meinem Wallet/Account gelistet und hatte lediglich einen Betrag von 2 wETH bezahlt, also rund 350 €. Ein echtes Schnäppchen, könnte man meinen. Tatsächlich war es aber so, dass mehrere Bugs zu einer Unterbrechung des gesamten Auktionsprozesses führten und einige, nämlich die rund 100 falsch vergebenen Domains, erneut auktioniert werden mussten/konnten. Ich hatte somit erneut die Chance, auf die gewünschte ENS assets.eth zu bieten und siehe da, diesmal war ich erfolgreich. Auf mein Bounty musste ich aber recht lange warten und auch mehrfach nachhaken, da dieses in der Hitze der Auktionen offensichtlich untergegangen war. Durch 2 kleine Hinweise an die Admins bei opensea.io wurden mir bzw. dem wallet aber die entsprechenden Bounties letztlich doch gutgeschrieben – u.a. eine Meme Factory! Wer sich jetzt fragt, warum Bounties und was sind überhaupt Bounties? In der Blockchain sind einmal getätigte Transaktionen unwiederbringlich erfolgt. Das bedeutet, eine Domain, die an eine Walletadresse übertragen wurde, kann nicht wieder zurückgeholt werden, der Besitzer ist und bleibt auch Eigentümer – es sei denn, er überträgt die ENS wieder zurück an den Emittenten Ethereum Foundation respektive opensea.io. Und genau das war passiert, denn opensea.io waren sich selbstverständlich im Klaren darüber, dass Sie nur auf eine freiwillige Rückübertragung zählen konnten. Hier kamen dann die Bounties ins Spiel, also Vergütungen für die Rückübertragung. M.W. wurden alle fälschlicherweise übertragenen ENS-Domains zurückgegeben… “The stolen ENS names mentiond in this article were recently returned to the ENS team for re-auction. A big thank you to the user that returned these assets for supporting the community in this effort!”. Wären vereinzelte Domains nicht retourniert worden, wären diese lt. Ethereum Foundation (ENS-Betreiber) auf eine Blacklist gekommen und somit für immer und ewig unerreichbar geblieben.
SUBDOMAINS
Wer eine ENS erworben hat, kann unter https://app.ens.domains weitere kostenfreie und in der Zahl unbegrenzte Subdomains anlegen. Subdomains können dabei einen eigenen Controller vorweisen, so dass die „Nutzer“ der Domain auch tatsächliche Verfügungsgewalt über die ENS haben. Der Controller kann weitere Subdomains anlegen und weitere Wallet-Inhalte speichern. Hierzu muss lediglich ein neuer Eintrag angelegt werden, welcher zum Beispiel auf die Website verweist oder eine Mailadresse widergibt. Oder man legt eine weitere Blockchainadresse auf einer anderen Chain an, so dass man die Adresse „mpmarketing.eth“ auch zum Empfang von BTC oder LTC verwenden kann.
Subdomains sind in meinen Augen der Schlüssel für eine wirtschaftlich erfolgreiche Nutzung von ENS und werden langfristig die DNS ersetzen bzw. verdrängen/kompensieren. Schon heute ist es möglich, bei XYZ-Domains den ENS-Eintrag und den DNS-Eintrag serverseitig zu verbinden, so dass bei Eingabe einer ENS-Adresse wie mpmarketing.eth in einem Browser wie z.B. Chrome, Firefox oder Safari, die Website mp-marketing.com aufgerufen wird.
Viel wichtiger ist jedoch, dass die ENS neben der reinen HTML-Weiterleitung einer zweite Funktion innehat, welche die DNS nicht vorweisen kann. Die Rede ist von der Kontofunktion einer ENS, welche durch die Verbindung des Namens mit anderen Blockchains besondere Bedeutung erhält. Die ENS ist somit multicoin-fähig und kann zur Verknüpfung von beispielsweise BTC mit ETH mit LTC mit Monero….verwendet werden. Und das alles über eine einzige und leicht zu merkende Walletadresse wie z.B. „mpmarketing.eth“.
DAS NEUE INTERNET?
Ist jetzt die Blockchain bzw. das ENS System der Ersatz für das Internet? Wird die ENS das Internet mit seinem DNS ablösen? Ich denke ja! Morgen? Nein! Nächste Woche? Nein! Aber in vielleicht 10 Jahren – so vermute ich – werden diese beiden Welten zusammengewachsen sein. Und da man via .eth-Adressen nicht nur Daten, sondern auch Geld, Werte, Assets versenden kann und darüber hinaus auch noch Verträge in Form von „smart contracts“ abschließen können wird, sehe ich das Ende der klassischen Internetdomain. Die ist aktuell nur für die Wiedergabe von Webcontent in Form von Bild, Ton und Text nutzbar und somit in der Nutzung limitiert, während eine ENS vom Content über Währungen bis hin zu Verträgen alles beherrscht.
Preislich lagen die ENS übrigens sehr unterschiedlich. Gab es im Vorfeld der 7-stelligen Domain bereits Gebote über 100.000 USD und mehr (bis zu 1 Mio USD), so gingen die teuersten Domains in der ersten Phase für Preise von bis zu 60.000 USD über die digital Ladentheke (bankofamerica.eth, morganstanley.eth). Vergleicht man das mit den teuersten kurzen 3–6-stelligen Domains, so waren die Domains “amazon.eth” (100 wETH ≈ 17.000 USD) sowie “google.eth” (52,9 wETH ≈ 8.500 USD) und “sex.eth” deutlich günstiger, als die zuvor genannten Domainnamen einschlägiger US-Banken.
Markennamen wie z.B. Daimler Benz, BMW, Porsche o.ä. habe ich selbst aber keine gesichert, da halte ich die Urheberrechte doch für zu stark, als dass man langfristig Erträge aus einer solchen Domain generieren kann. Und einen teuren Verkauf halte ich mit Verweis auf das Urheberrecht bzw. die Markeneintragungen der Ursprungsmarken für unwahrscheinlich. Nichts desto trotz wurden viele Markennamen durch fremde Dritte registriert verbunden mit der Hoffnung, später einmal viel Geld für eine TESLA-Domain zu erhalten. Ich halte das für ein gewagtes Spiel mit unbekanntem Ausgang und würde die kostenfreie Rückübertragung eingetragener Marken an den WIPO-Inhaber erwarten.